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Interview Kai Lippert: „Unser Geschäft ist das Bewegen von Waren“

Unser Geschäft ist das Bewegen von Waren“

Großhändler haben vermutlich das vollständigste Bild vom aktuellen Zustand der Photovoltaik in Deutschland. Wer dann noch seit 30 Jahren im Geschäft ist, hat mit Sicherheit gelernt, die Situation richtig einzuschätzen. SONNE WIND & WÄRME fragte den Geschäftsführer der EWS, Kai Lippert, nach seiner Sicht der Dinge.

SONNE WIND & WÄRME: Vor 30 Jahren waren Photovoltaik-Kunden Idealisten. Muss man heute wieder Idealist sein, um eine PV-Anlage haben zu wollen?

Kai Lippert: Es schadet nichts, wenn man Idealist ist. Aber davon gibt es nicht genug, um die Energiewende zu organisieren, leider. Deswegen konzentrieren wir uns darauf, Angebote für die breite Masse zu machen, und die wird in erster Linie über Rentabilität motiviert. Man kann auch durch Einsparungen Rentabilität erreichen. Das verkauft sich allerdings nicht so leicht wie Rendite im Sinne von Strom einspeisen und Geld verdienen.

SW&W: Das heißt, man muss mehr erklären als früher. Jedes Verkaufsgespräch wird länger, die Planung von Objekten wird deutlich komplexer und dann soll der Handwerker ja zwischendurch eigentlich auf der Baustelle arbeiten. Kann er das überhaupt noch leisten?

Lippert: Da sehe ich zwei Trends, die sich zu einem Gesamtergebnis ergänzen. Zum einen spielt das Verbrauchsprofil eine große Rolle – und in dem Moment wird es beratungsintensiv, weil sich kaum jemand wirklich bewusst ist, wie sein Energieverbrauch gelagert ist, wie er ihn vielleicht auch beeinflussen könnte. Aber der andere Trend ist auch da: Das sind die Kunden, die sich mit der Thematik beschäftigt haben und sich jetzt für Photovoltaik entscheiden, sodass Installateure mehr oder weniger genau nach Kundenwunsch eine Anlage einer bestimmten Größenordnung bestellen. Für beides haben wir Softwarelösung, die online verfügbar sind, damit unsere Kunden so wenig Zeit wie möglich verlieren. Denn eines ist klar: der Installateur weiß es heute sehr zu schätzen, wenn er schnell zu einem Ergebnis kommt.

SW&W: Gibt es noch den Installateur, der nur eine Stückliste faxt? Oder ist das Großhandelsgeschäft im Grunde inzwischen ganz wesentlich ein Planungsgeschäft?

Lippert: Wenn man im Sinne des dreistufigen Vertriebs im Großhandel tätig ist, ist man für die Kunden immer der Ansprechpartner, der sein Know-how einbringt. Das ist eher mehr als weniger geworden. Es gibt ja doch sehr viele Betriebe, die sich nur in einem Teil ihres Gewerbes mit Photovoltaik beschäftigt, die ansonsten Elektriker oder Dachdecker sind. In Anbetracht des Umsatzanteils von Photovoltaik können die sich auch nicht so intensiv weiterbilden – und sie sind oft von der Mannschaft, die sich spezialisiert mit Photovoltaik beschäftigt, kleiner geworden. Sie können sich auch oft nicht leisten, die regelmäßigen Updates von Planungssoftware zu kaufen. Die greifen jetzt auf unser Know-how, unsere Expertise und unsere Mitarbeiter zurück, um aufzufangen, was sie früher selbst gemacht haben. Tatsächlich haben wir auch genau für diese Gruppe jetzt zwei Lösungen: Einmal für den Endkunden, der eine dezidierte Dokumentation haben will, wie sich sein Angebot und seine Projektierung zusammensetzen, bis hin dazu, dass jemand schnell mal eine Hausnummer genannt haben will – was kostet das denn, was ich da vorhabe und wie kann sich das rechnen?

Das kann man sich bei uns online ansehen: Unter www.pv.de kann der Installateur kalkulieren, und unter www.installateursuche.de kann der Endkunde sich das auch selbst zusammenklicken. Es wird heute alles sehr viel mehr online gesteuert und organisiert. Aber letztendlich bleibt es dann doch so, dass 90 Prozent der Systeme, die von uns verkauft werden, noch einmal von uns konkret und in allen Details hinterfragt werden. Wir weigern uns nach wie vor, einen reinen Online-Shop darzustellen, weil da eben doch zu viele Fehler passieren – Fehler, die man sich heute in der Branche gar nicht mehr leisten kann. Dafür sind die Margen viel zu dünn. Wenn Sie nur jedes zehnte System wieder zurücknehmen müssen, weil es de facto nicht passt, dann drehen Sie sich im Kreis, was den Geschäftsplan anbelangt.

SW&W: Wer sind Ihre wesentlichen Lieferanten im PV-Bereich?

Lippert: Wir haben historisch mit einer Ein-Marken-Strategie begonnen, haben uns ganz am Anfang mal an Arco Solar gebunden, die von Siemens Solar gekauft worden sind, die sind dann wieder von Shell Solar gekauft wurden und die wieder von SolarWorld. Wir haben auf BP Solar gesetzt, wir haben auf Schott gesetzt, wir haben auf Bosch gesetzt, das sind alles Partner, die es inzwischen nicht mehr gibt. Wir mussten also aus Sachzwängen beginnen, mit mehreren Marken arbeiten. Da geht es in erster Linie darum, dass der Hersteller für seine Produkte in aller Konsequenz und auch langfristig die Risiken trägt und nicht wir, dass der Hersteller uns ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und eine sichere Vertriebsstruktur bietet. Bei diesen Kriterien kann man heute nach der großen Marktbereinigung im Modulbereich nur noch eine Handvoll von Herstellern empfehlen.

SW&W: Das hört sich so an, als müssten die Hersteller sich bemühen, im Wettbewerb zu anderen bei ihnen gelistet zu werden.

Lippert: Ja, wobei wir jetzt aus einer relativ langen Umstellungsphase kommen, in der zunächst einmal die ganze Branche begreifen musste, dass tatsächlich Vertriebsarbeit gefragt ist – vom Hersteller über den Großhandel und den Installateur bis zum Endkunden. Diejenigen, die noch im Markt sind, haben sich da meiner Ansicht nach inzwischen sehr professionalisiert. Das merkt man schon daran, dass diejenigen Hersteller, die im Preis-Leistungs-Verhältnis attraktiv sind und die Kriterien des Vertrauens in die Beständigkeit der Marke und damit der Gewährleistung erfüllen, schon wieder Liefer-Engpässe haben. Da tut man gut daran, sich entsprechend langfristig und in regelmäßiger Abstimmung mit dem Hersteller auf ein Forecast zu einigen. Das tut EWS seit über 15 Jahren regelmäßig mit jedem Hersteller schon aus Eigeninteresse, damit wir zum Zeitpunkt der von uns erwarteten Nachfrage auch lieferfähig sind.

SW&W: Um sich zu Hochzeiten der Branche überhaupt Kontingente sichern zu können, musste jeder im Voraus zahlen und hatte damit einiges an Kapital gebunden. Wie hat sich das entwickelt?

Lippert: Für unsere Kunden sind wir mehr und mehr auch Finanzinstitut. Das ist etwas, was wir nicht gerne sehen, was sich aber aus der Natur der Sache ergibt. Handwerker haben zum großen Teil einfach nicht die Luft, um jetzt selber zu finanzieren. Auf der anderen Seite zeigen sich Hersteller durchaus erkenntlich, wenn man Vorkasse zahlt. Wer die SkontoMöglichkeiten, die dort geboten werden, als Kaufmann nicht nutzt, der hat selbst Schuld. Wir kaufen nach wie vor jedes Modul und jeden Wechselrichter mit Vorkasse, um in die Möglichkeit des Skontos zu kommen.

SW&W: Sie haben hier zwei große Hallen, da liegt viel Geld fest.

Lippert: Das ist ja heute leider nicht mehr so viel, weil die Preise so extrem gesunken sind. Wenn man dieses Lager voll hat, ist das nur noch ein Drittel von dem, was wir 2008 da hatten. Das macht letztendlich die große Herausforderung im Großhandel aus: Unser Geschäft ist das Bewegen von Waren. Wenn sich die Preise auf ein Drittel sinken, dann explodieren die Kosten des Warenverkehrs. Es ist nicht ganz einfach zu vermitteln, dass inzwischen der Anteil Frachtkosten so exorbitant die Wirtschaftlichkeit berührt. Wir bemühen uns sehr stark darum, beim Kunden dafür ein entsprechendes Bewusstsein zu schaffen. Wir können insgesamt sagen, dass wir mit allem, was wir hier an Konfiguration im Detail machen, eigentlich immer weniger Wert auf den Preis des Moduls legen müssen und alles andere dafür sehr viel genauer betrachten müssen.

SW&W: Wo sind wir heute bei der durchschnittlichen Größe von Photovoltaikanlagen angekommen?

Lippert: Über die Möglichkeiten der Direktvermarktung und im kleinen Teil auch die Möglichkeiten des Eigenverbrauchs haben wir eine relativ stabile Anlagengröße, die liegt – jetzt kann ich nur von uns sprechen – im Distributionsgeschäft bei 20 kW.

SW&W: Für wie viel Prozent der Anlagen, die Sie hier für Kunden berechnen, können Sie einen Speicher einplanen?

Lippert: Das liegt jetzt in einer Größenordnung von zehn Prozent der Anlagen – bei größeren Anlagen weniger, bei kleineren mehr. Ich glaube aber, dass es auch in Zukunft so bleiben wird, dass man zunächst einmal die Erzeugung wirtschaftlich darstellen muss und die Speicherung in den allermeisten Fällen davon abhängig ist, ob man irgendeinen anderen Nutzen hat. Das sind zum Teil idealistische Beweggründe, Selbstversorgung in jeder Couleur. Es sind aber auch ganz handfeste Gründe, gerade im Gewerbebereich. Allerdings bleibt es so, dass die Kosten der Speicherung immer obendrauf kommen auf die Kosten der Erzeugung und da spielt es im Prinzip auch keine so ganz große Rolle, wohin sich die Preise dann noch bewegen. Speicher werden immer in Konkurrenz dazu stehen, das Netz als Puffer zu nehmen oder die Restmenge des Stroms, die nicht direkt genutzt werden kann, zum Beispiel zur Wärmeerzeugung zu nutzen.

SW&W: Gibt es ein EWS-Rezept fürs Überleben in harten Zeiten?

Lippert: Was ich lernen musste, als es aufwärts ging, war, dass man immer die Nase vorne haben und Entwicklungen vorhersehen muss. Man muss immer schon da stehen, wo sich der Markt und die Nachfrage hin bewegt. Das musste ich jetzt aber noch mal neu lernen, als es bergab ging. Wir nehmen das heute genauso ernst, wie wir es vorher ernst genommen haben, als es immer weiter nach oben ging.

Eines der Erfolgsrezepte, wenn es um das Vertrauen zu meiner Person geht, ist, dass ich jedem Kunden, der mir die Gelegenheit bietet, ganz klar sage, was aus meiner Sicht der richtige Weg für ihn wäre. Und das ist nicht immer nach oben, das ist nicht immer nach vorne und das ist nicht immer, jede Gelegenheit wahrzunehmen, sondern durchaus auch mal verzichten und durchaus auch mal kleine Brötchen backen. Aber die dann auskömmlich backen. Das hilft, glaube ich, Vertrauen zu schaffen.

Das Gespräch führte Volker Buddensiek

Info: EWS kompakt

EWS ist ein Großhandel speziell für Solartechnik, Biomasseanlagen und Wärmepumpen mit Firmensitz in Handewitt, Schleswig-Holstein. Das Unternehmen wurde von Kai Lippert gegründet. Es beschäftigte in Boomzeiten der Photovoltaik bis zu 150 Mitarbeiter, aktuell sind es 48 – auf einem stabilen Level, wie Lippert betont. Rund 75 % des Umsatzes in der Photovoltaik entfallen aktuell auf das Projektgeschäft mit Anlagen über 100 kW. Dieser hohe Anteil begründet sich vor allem auf einem extremen Rückgang des Distributionsgeschäfts in Deutschland. EWS beliefert regelmäßig zwischen fünf- und sechshundert Kunden – überwiegend in Deutschland, aber auch aufgrund der geografischen Nähe zunehmend in Skandinavien. Der skandinavische Markt macht heute rund 40 % des Umsatzes aus und liegt allein in Dänemark bei 60-70 MW. Hauptlieferanten in der Photovoltaik sind REC und Fronius, bei solarthermischen Anlagen TiSun.

(veröffentlicht in SONNE WIND & WÄRME 6/2015)

weitere Informationen: EWS