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Firmenportrait Vensys: Saarländisches Konzept

Saarländisches Konzept

Vensys fährt als Windkarftanlagen-Hersteller und -Lizenzgeber doppelgleisig. Die 1,5-MW-Anlage ist dank Goldwind die meisterrichtete getriebelose Anlage ihrer Leistungsklasse weltweit. Unter der eigenen Marke sucht Vensys aber eher die Nische als die großen Stückzahlen.

Ein deutscher Liedermacher hat einmal gereimt: „Es sind nicht immer die Lauten stark, nur weil sie lautstark sind, es gibt so viele, denen ihr Leben ganz leise viel echter gelingt.“ Im übertragenen Sinn gilt das sicherlich auch für die Hersteller von Windkraftanlagen. Da gibt es die großen Namen, die mit hohen Marktanteilen auftrumpfen können, ein weltweites Vertriebsnetz haben und Windparks quasi in Serie mit ihren Anlagen bestücken. Und es gibt Hersteller, deren Auftritt auf Windmessen weniger spektakulär ist, von denen man wenig hört und wohl nie einen Windpark mit 50 Anlagen sieht. Trotzdem lohnt es sich, dort genauer hinzuschauen.

Ein solch „leiser“ Hersteller ist die Vensys Energy AG. Schon beim Firmensitz muss man nachfragen: Neunkirchen. Wo ist das denn? Das Unternehmen hat seine Zentrale im Saarland, das nicht gerade als Hort der Windenergie gilt. Doch der Eindruck stimmt nicht ganz, denn an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken wird seit 1990 am Antriebsprinzip getriebeloser Windenergieanlagen geforscht. Damals entstand unter der Leitung des inzwischen emeritierten Professors Friedrich Klinger eine Forschungsgruppe Windenergie (FGW). 1997 wurde dort die GenesYs 600 kW entwickelt, der Prototyp einer getriebelosen Anlage. Damit war man im Saarland nur wenig später dran als der deutsche Platzhirsch Enercon. Die Auricher haben 1993 mit der E-40 ihre erste getriebelose Anlagengeneration auf den Markt gebracht.

Aus der FGW heraus gründete sich im Jahr 2000 der Vensys Energiesysteme GmbH & Co. KG. Zwei Jahre später kam die Sache mit dem Einstieg von Windenergie-Urgestein Hugo Denker richtig in Schwung. Denn schon 2003 wurde der Prototyp der Vensys 62/1,2 MW in Sitzerath im Saarland errichtet. Und hier wird die Geschichte richtig spannend. Denn das Konzept der Saarländer war von Anfang an nicht nur auf die Produktion eigener Windkraftanlagen ausgerichtet, sondern auch darauf, die Technologie anderen Herstellern weltweit in Lizenz anzubieten.

Doppelstrategie Bauen und Lizensieren

Gleich mit dem ersten Lizenznehmer hat damals ein Fisch angebissen, der sich im Nachhinein als kapitaler Hecht im Teich der großen Fische herausstellen sollte. Heute kennt jeder den Namen Goldwind, denn das Unternehmen aus der westchinesischen Provinz Xinjiang verdrängte 2015 den damaligen Weltmarktführer für Onshore-Windenergieanlagen Vestas von Platz eins. Die Technik der Goldwind-Anlagen stammt allerdings nicht aus China, sondern wurde und wird im Saarland entwickelt.

Dann ging es ziemlich schnell weiter: Bereits 2005 entwickelt Vensys eine 2,5-MW-Plattform. 2007 wird aus der Vensys Energiesysteme die Vensys Energy AG. 2008 steigt Goldwind als neuer Mitgesellschafter bei Vensys ein. Das frische Kapital ermöglicht den Aufbau einer eigenen Produktionsstätte mit 5.000 m² Produktionsfläche und die Serienfertigung von Windenergieanlagen „made im Saarland“. Im gleichen Jahr erfolgt die Gründung der Tochtergesellschaft Vensys Elektrotechnik GmbH in Diepholz bei Bremen. Dort werden die Umrichtersysteme für alle Windenergieanlagen des Unternehmens und ihrer Lizenznehmer gebaut – und inzwischen auch modular kombinierbare Wechselrichter im Leistungsbereich von 200 kW bis 2 MW für Solarparks.

2009 geht die nächste Vensys-Generation an den Start: die 2,5-MW-Plattform. Inzwischen gibt es Lizenznehmer in Spanien (Eozen), Indien (ReGen Powertech) und Brasilien (IMPSA wind). 2011 folgt Ägypten (Arab Organization for Industrialization) und das Unternehmen kann verkünden, dass mittlerweile auf allen Kontinenten außer der Antarktis Windenergieanlagen mit Vensys-Technologie Strom erzeugen. Ebenfalls im Jahr 2011 gründet Vensys das Tochterunternehmen Neven Windenergie GmbH, das sich schwerpunktmäßig um die Planung und Projektierung von Windparks kümmert.

Seit 2015 ist auch eine 3-MW-Plattform in der Entwicklung. Der Prototyp steht auf dem Testfeld von Windtest Grevenbroich. Drei der 3-MW-Anlagen sollen noch im Dezember im französischen Soisson Leury bei Lille ans Netz angeschlossen werden.

Dazu kommen Service-Standorte und eine zentrale Anlagenüberwachung in Neunkirch. Auch hat Vensys rund 100 Anlagen der 2,5-MW-Familie im Eigenbetrieb.

Weltweit sind heute mehr als 14.900 Anlagen mit Vensys-Technologie am Netz. Das entspricht einer installierten Leistung von 25 GW. Rund 5 % der weltweit installierten Leistung basiert auf dem Vensys-Konzept – und die 1,5-MW-Plattform ist heute mit mehr als 11.000 errichteten Mühlen die meistgebaute getriebelose Windenergieanlage ihrer Leistungsklasse.

Von den Lizenznehmern ist weiterhin Goldwind am wichtigsten für das Unternehmen. Rund 70 % der installierten Anlagen mit Technologie aus dem Saarland wurden in China gebaut. ReGen Powertech hat in Indien 1.500 MW ans Netz gebracht, Impsa Wind in Brasilien 420 MW.

Das Vensys-Konzept

Da stellt sich natürlich die Frage: Was macht den Erfolg des Anlagenkonzeptes aus? Das Unternehmen selbst erklärt den Erfolg aus der Grundidee, möglichst viel Energie bei möglichst geringen Verlusten zu erzeugen und dabei auf ein einfaches Konstruktionsprinzip zu setzen: Beschränkung auf wenige, hochqualitative Bauteile, Reduzierung der Verschleißteile sowie ausschließliche Verwendung langlebiger Komponenten.

So ähnlich würde das vermutlich jeder Windkraftanlagen-Hersteller formulieren. Doch die Konsequenzen, die daraus abgeleitet werden, sind deutlich andere: An erster Stelle steht natürlich der Verzicht auf ein Getriebe. Wozu andere Hersteller einen jahrelangen Entscheidungsprozess durchlaufen mussten, nämlich eine Anlage mit permanenterregtem Vielpol-Synchrongenerator ins Programm aufzunehmen, das stand bei den Sauerländern von Anfang an in den Konstruktionsanforderungen. Vorteil: Die eingesparte Erregerleistung steht als zusätzlicher Energieertrag zur Verfügung. Und wo keine Erregerleistung benötigt wird, da muss auch keine Erregerleistung mit Schleifringen übertragen werden. Auch so spart man Bauteile und Wartungskosten.

Anders als Enercon setzt Vensys auf einen permanenterregten Generator mit Magneten, die am äußeren, drehenden Teil des Generators angebracht sind. Damit stellt Vensys die übliche Generatorbauweise auf den Kopf: Ständer nach innen und Läufer nach außen! Der mit flachen Dauermagneten bestückte Läufer vergrößert den Außendurchmesser des Ständers nicht wesentlich. Zudem sind die Magnete auf dem außen drehenden Läufer besser gekühlt. Die Permanentmagnet-Technologie bringt zudem insbesondere im Teillastbereich Vorteile.

Ein weiterer Vorteil erschließt sich nicht unmittelbar, ist aber für Service und Wartung nicht uninteressant: In einer Vensys-Gondel ist viel Platz, sich frei zu bewegen. Da muss der Servicetechniker nicht unbedingt eine Ausbildung als Schlangenmensch mitbringen.

Eine weitere Besonderheit des Konzepts zeigt sich im Pitch-System, das die weit verbreitete hydraulische Steuerung durch einen patentierten Zahnriemenantrieb für die Kraftübertragung zwischen Verstellantrieb und Rotorblatt ersetzt. Die schmierungsfreie und wartungsarme Technik senkt Wartungs- und Instandhaltungskosten. Um bei einem Netzausfall die Rotorblätter trotzdem in Bremsstellung fahren zu können, ist jeder Antrieb eines Rotorblattes mit einem Kondensator als Energiespeicher ausgestattet.

Schließlich setzt Vensys bei Generator und Frequenzumrichter auf Luftkühlung – bei der 1,5-MW-Plattform als passive Außenluftkühlung, bei den 2,5- und 3-MW-Anlagen aufgrund der höheren Leistungsdichte als geschlossenes System mit einem Luft-Luft-Wärmetauscher. Eine Vollkapselung schützt Wicklung und Generator-Innenraum vor schädlichen Einflüssen wie salzhaltiger und feuchter Luft, Staub und Schmutz.

Der Blick nach vorn

Mit dem Lizenzmodell ergibt sich für Vensys die paradoxe Situation, einerseits weltweit mit fast 15.000 Anlagen vertreten zu sein, die nach eigenen Konstruktionsprinzipien und Qualitätsstandards gebaut werden, sich aber andererseits unter eigenem Namen Marktnischen suchen zu müssen, da die eigene Fertigung in Neunkirchen keine „Massenproduktion“ zulässt. So findet man das Vensys-Logo in Deutschland auf Anlagen mit 200 MW Leistung, in Großbritannien mit 15 MW und in den USA mit 30 MW (siehe auch SW&W 9/2016, S. 28).

Durch die Einführung des Ausschreibungsverfahrens wird die Situation der „kleinen“ Hersteller von Windenergieanlagen sicherlich nicht einfacher in Deutschland. Für Vensys heißt das laut Vertriebsleiter Helmut Lange, sich ab 2018 – nachdem vorher noch EEG-„Überlaufprojekte“ realisiert werden – verstärkt auf das Auslandsgeschäft zu konzentrieren. In den USA sieht er für sein Unternehmen Chancen weiterhin vor allem in Community Scale-Projekten. Für Großbritannien steht Vensys mit angepassten Anlagen am Start: Dort bieten die Saarländer ihre 1,5-MW-Anlagen mit einem 58-m-Turm an. Das erlaubt ihnen, in der Gesamthöhe die Grenze von 100 m nicht zu überschreiten. Den asiatischen Markt wollen die Saarländer zusätzlich mit einer 2-MW-Anlage mit 115 m Rotordurchmesser bedienen. Seit sechs Monaten ist die Anlage auf dem Markt, in China sind die ersten 1.000 Lizenz-Anlagen bereits errichtet.

Das alles geschieht ohne aufgeregtes Getöse, dafür aber mit einem starken Konzept. Weil „lautstark“ nicht gleich „stark“ ist.

Volker Buddensiek

(veröffentlicht in SONNE WIND & WÄRME 1+2/2017)

weitere Information: Vensys